Heute muss das Messer werden

 

Schmiede das Eisen, solange es heiß ist.

Mit der Zange hält Stefan Lück ein Eisenstück in die Esse, auf dass es rot glühe. Er wendet sich damit zum Amboss, nimmt den schweren Schmiedehammer und schlägt kraftvoll immer wieder auf das Metall. Sobald es nicht mehr glüht, lässt er ab, wendet sich zur Esse, hält sein Werkstück in die Hitze. Kurz darauf glüht es wieder heiß. Der Schmied schwingt erneut den Hammer. Präzise, konzentriert, rhythmisch. Bis er aus dem Stab eine Klinge geformt hat. Dann begutachtet er das, was einmal ein Messer werden soll und sagt zufrieden: „Später werde ich die Klinge noch härten und schleifen.“

An der Stirnseite der ehemaligen Hofreite in der Kellerstraße hat Stephan Lück seine Schmiede eingerichtet. Hier entstehen viele der mittelalterlich anmutenden Kunstgegenstände, die der 43-jährige über’s Jahr auf den Mittelaltermärken der Region feilhält. Links stapeln sich Holzpaletten. Rechts hängen Zangen, Sägen und anderes Werkzeug, ruhen Eisenstäbe und Stahlstücke auf selbstgebauten Haltern und Regalen. Im Hintergrund, eingefasst von hellen Schamottsteinen, züngeln noch immer Flammen aus der weißglühenden Kohle des Schmiedefeuers. Mitten in der Schmiede und doch nur einen Schritt entfernt von der Esse thront ein mächtiger Amboss. 175 Kilo wiegt der.

Auch die Esse hat Stephan Lück selbst gebaut.

Schon als Jugendlicher stand für Stephan Lück fest, dass er einen Handwerksberuf ergreifen würde. Während seiner Schulzeit absolvierte er also ein Praktikum in einer Schreinerei: „Das hätte ich mir beruflich durchaus vorstellen können.“ Doch er entschied sich, Kfz-Schlosser zu werden, fand eine Lehrstelle in einem Kfz-Betrieb und begann 1991 seine Ausbildung. „Das erste Lehrjahr war zu dieser Zeit noch komplett werkstoffbezogen. In der Ausbildung wurde intensiveres Wissen vermittelt“, berichtet er. Heutzutage heiße der Beruf Mechatroniker. Wissen über Eisen- und Metallverarbeitung werde nicht mehr so intensiv vermittelt, bedauert er. Das Berufsbild habe sich verändert: „Mechatroniker müssen mit Computertechnik umgehen, mit Steuer- und Regelungstechnik arbeiten, elektronische Teile austauschen.“

Haken, Rennschnecke, Fibeln: Auch die fertigt Stephan Lück.

Dass ihm die Kenntnisse, die er Anfang der 1990er Jahre erlernte, mehr als 15 Jahre später von großem Nutzen sein würden, ahnte Stephan Lück damals gewiss nicht. Doch dann trat die Schmiedekunst in sein Leben. „Meine Frau, meine Kinder und ich sind 2004 auf dem Mittelaltermarkt in Münzenberg gewesen. Die Atmosphäre hat uns so gut gefallen, dass wir 2007 selbst mitgelagert haben, also nicht als Besucher, sondern als richtige Teilnehmer dabei waren.“ Stephan Lück machte die Bekanntschaft eines Mann, der auf Mittelaltermärkten sein Schmiedekönnen präsentierte. Eine Weile schloss sich Stephan Lück diesem Schmied an, die beiden nahmen gemeinsam an Mittelalterspektakeln teil. „2008 ist das auseinandergegangen und ich habe meine eigene Schmiede gebaut. Ich bin mit meiner Frau in den Verein „Freie Ritterschaft Friedberg“ eingetreten und habe angefangen, mir das Schmieden beizubringen.“ Stephan Lück las Bücher, schaute Videos, sprach mit Schmieden auf Märkten, übte viel und erlernte so autodidaktisch das archaische Handwerk.

So etwa hat der Arbeitsplatz eines Schmiedes bei den Wikingern ausgesehen.

Zunächst fertigte er, der in der Mittelalterszene unter dem Namen Schmied Einar bekannt ist, Messer, Gabeln, Fibeln, Nägel, Heringe für die Zelte der Lager. „Kleinkram“, wie er sagt. Zu dieser Zeit war das für Stephan Lück noch reines Hobby. Doch die Nachfrage nach seinen Arbeiten wuchs. „Vor allem bei Freunden und im Verein“, fügt er an. Vor fünf Jahren wandten sich sogar Mitarbeiter der Keltenwelt auf dem Glauberg an ihn und fragten, ob er Interesse habe, Schmiedeworkshops zu geben. Stephan Lück hatte Interesse. „Da musste ich es offiziell machen. Ich wollte rechtlich und steuerlich auf der richtigen Seite sein und habe mich mit einer Nebentätigkeit selbstständig gemacht.“ Auch bei Mittelalterveranstaltungen auf der Ronneburg schwingt der Mann mit dem Vollbart regelmäßig den Schmiedehammer.

Arbeitsschritte: Stück Stahl wird zu Messer.

Hauptberuflich widmet sich Lück ebenfalls der Metallverarbeitung und zwar in einem Unternehmen in seinem Heimatort Nieder-Mockstadt. Bis auf den Werkstoff hat sein Beruf mit Schmiedekunst nichts gemein. „Mit großen Maschinen formen wir Metall um. Im Beruf habe ich es mit Zerspanungsverfahren zu tun: Schleifen, Drehen, Härten. Ich überwache und bediene die Maschinen, repariere die Werkzeuge, die in den Maschinen sind und die die Metallteile formen.“ Er arbeitet im Schichtbetrieb. „Da kann ich vormittags in meiner Schmiede sein und gehe um 14 Uhr zur Arbeit.“ Er findet das perfekt.

Mit seinem Schmiedzeichen kennzeichnet Stephan Lück alle Klingen.

Mittlerweile schmiedet Stephan Lück übrigens fast ausschließlich auf Anfrage: Messer, Küchenbeile, Grillroste, Gegenstände nach dem Vorbild von Ausgrabungsfunden. „Wenn jemand mit einer Idee zu mir kommt – Beschläge für eine Truhe, ein Schwert oder Schild, ein Kerzenleuchter oder ein Ladenschild – kläre ich erst einmal, ob ich das auch umsetzen kann. Die Arbeitsmittel, die ich für das Werkstück brauche, fertige ich selbst an.“ Zangen, zum Beispiel, die es ihm ermöglichen, das glühende Eisen beim Hämmern festzuhalten und die nach den Besonderheiten des Werkstücks gearbeitet sind. Auch Schmiedehämmer in verschiedenen Ausführungen. „Meinen ersten Schmiedehammer habe ich 2013 hergestellt“, sagt Stephan Lück nicht ohne Stolz. Inzwischen sind es acht oder zehn, so genau kann er es spontan gar nicht sagen. Zwei weitere hat er für zwei Steinmetze der Region gefertigt. Seine Ein-Hand-Hämmer wiegen zwischen 800 Gramm und zwei Kilo, die größeren Zwei-Hand-Hämmer zwischen zwei und sechs Kilo. Steht Stephan Lück am Amboss, um eine Messerklinge zu schmieden, tönt das typische Geräusch aus der Schmiede, das entsteht, wenn der Hammer auf Eisen trifft: Klang, klang, klong. Klang, klang, klong. Die Nachbarn stören sich daran nicht.

Häufig in Gebrauch: Zange und Schmiedehammer

Bevor Stephan Lück auf Märkten und Festen der Region schmiedet, teilt er seinen Bart und flicht ihn in zwei Zöpfe. Wie ein Wikinger sieht Schmied Einar dann aus. Er reist mit einem 25 Kilogramm schweren Amboss, der auf einem etwa ebenso schweren Holzklotz befestigt ist. Mit Blasebälgen, die er mit der linken Hand betätigt, bläst er Luft in die selbstgebaute Esse, um die Glut anzufachen und Eisen zum Glühen zu bringen. Für die Marktbesucher ist seine Feldschmiede eine Attraktion. Viele bleiben stehen und schauen ihm aufmerksam bei der Arbeit zu. Auf diesen Mittelaltermärkten bietet Einar Selbstgeschmiedetes an: Flaschenöffner oder Schlüsselanhänger etwa. „Bei handgemachten Sachen ist es schwer, einen angemessenen Preis zu bekommen“, sagt er jetzt und fährt fort: „Die Besucher fragen: „Was kostet ein Flaschenöffner“ und wenn ich „15 Euro“ antworte, rollt manch einer mit den Augen.“ Dem einen oder der anderen rechne er dann vor, dass er 25 Euro dafür nehmen müsste, wenn er Arbeitszeit, Aufwand, Material und Steuern zusammenrechne. Schließlich sei alles Handarbeit. „Es gibt viele, die verstehen die Preise dann erst.“ Ans Aufhören hat er noch nie gedacht. „Das Schmieden macht mir großen Spaß. Klar, es gibt Tage, an denen es mit einem Werkstück nicht klappen will. Dann lege ich es weg und nehme es erst am nächsten Tag wieder in die Hand. Es bringt nichts, etwas zu erzwingen.“ Das klingt doch nach einer veritablen Lebensweisheit.

Termine auf seiner Homepage: www.einars-schmiede.de