Jesus braucht neue Hände

Zerlegt, die Kreuzanlage

An dieser Stelle kommen die Brüder Jörg und Frank Betz ins Spiel, die gemeinsam den Steinmetzbetrieb Heinrich Betz und Söhne in Orleshausen führen. Vor einigen Jahren hat das Unternehmen Steinmetzarbeiten an einem Haus in Karben ausgeführt. Um den Anschluss dieser Arbeiten an den öffentlichen Bürgersteig zu klären, nahm Jörg Betz Kontakt zur Karbener Stadtverwaltung auf. Als nun die Sanierung der Kreuzanlage anstand, rief der damalige Ansprechpartner bei Jörg Betz an. „Sie machen doch auch Steinmetzarbeiten. Könnten Sie sich vorstellen, die Kreuzanlage auf dem Kloppenheimer Friedhof zu sanieren?“, so die Frage aus der Stadtverwaltung. „Das muss ich mir erst einmal anschauen“, war Jörg Betz‘ Antwort. Nachdem er das Objekt im vergangenen Jahr in Augenschein genommen hatte, sagte er die Sanierung zu. Ende 2020 wurden Sockel, Figuren und Kreuz abgeholt und nach Orleshausen gebracht. Anfang Mai 2021 begannen die aufwändigen Arbeiten.

Putten, gereinigte und schon teilweise restaurierte

„Über den historischen Hintergrund der Anlage wissen wir nicht viel“, sagt Jörg Betz. „Auf der Rückseite des tragenden Sockels ist „1861 renovirt“ eingraviert und darunter „1966“. Es ist also davon auszugehen, dass die Kreuzanlage vor 54 Jahren zuletzt saniert wurde. Wir denken außerdem, dass sie etwa zwischen 1700 und 1750 hergestellt worden ist.“ Im Jahr 1966 wurde von einem Schlosser eine statische Ertüchtigung angebracht. Eine Sicherheitsmaßnahme, die weitere Schäden am Stein allerdings nicht verhindern konnte.

„Das Sandsteinkreuz selbst war so marode, dass wir es nicht retten konnten. Das haben wir aus Mainsandstein in drei Teilen neu gefertigt“, erläutert Jörg Betz. Die Jesusfigur, die mitsamt dem Kreuz aus einem einzigen Sandsteinblock gehauen war, musste deshalb vom alten Kreuz abgeschnitten werden. „Wir wollen die Details der figürlichen Darstellung erhalten und nur dort, wo es nötig ist, ergänzen und mit Fingerspitzengefühl modellieren. Nach der Sanierung soll man der Anlage die Neuerungen schließlich nicht ansehen. Es darf nicht künstlich wirken.“

„Ich bin die Auferstehung und das Leben…“

Etwa 300 bis 400 Arbeitsstunden hat das Unternehmen bis jetzt in die Sanierung gesteckt, wie viele hinzukommen, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen. „Wir fertigen eine Dokumentation an, die die erforderlichen Arbeitsschritte der Sanierung zeigt. Damit wird der Prozess transparent und nachhaltig“, sagt Jörg Betz.

Mit bildhauerischen Arbeiten an der Kreuzigungsgruppe unterstützt Leo Howanietz aus Massbach bei Bad Kissingen die Brüder Frank und Jörg Betz. Seit 27 Jahren arbeitet er als mobiler Bildhauer und war – so ist seinem Flyer zu sehen – auch an der Restaurierung des Keltenfürsten vom Glauberg beteiligt. Seit Anfang Mai arbeitet er nun an der Kreuzanlage. Zunächst hat er Moos, Flechten und andere Verkrustungen mit einem Reinigungsgerät entfernt. Das eingesetzte Strahlgut, das eine so feine Konsistenz wie Backpulver hat, reinigt schonend. Sämtliche Details der ursprünglichen Bearbeitung bleiben erhalten und nur die Ablagerungen werden entfernt.

Alles drin, alles dabei: So geht mobile Kunst

Am Kreuzsockel hat der Künstler bereits die Konturen nachgearbeitet. Davor mussten die Hohlräume, die sich hinter der Inschrift gebildet hatten, mit Injektionsmörtel stabilisiert werden. Mittlerweile ist die Inschrift aus dem Johannesevangelium wieder zu lesen: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, wenn er auch gestorben ist“ (Johannes 11,25). Auch hat Leo Howanietz den Rahmen der Inschrift, von dem Teile weggebrochen waren, mit Sandsteinmörtel anmodelliert. „Nachdem der Mörtel aufgetragen ist, muss ich immer 24 Stunden – also einen Tag – warten, bis ich weiterarbeiten kann“, berichtet er. Die Gesichter der Putten, hat er bereits modelliert. Jetzt kann man ihre wohlgenährten Steingesichter wieder gut erkennen.

Detailpflege

Sein Arbeitsgerät bringt der mobile Bildhauer in einer großen rechteckigen Holzkiste mit. Hammer, Meißel, Schleifmaschinen, Zwingen, Zangen, Bürsten, Handschleifer: alles da. Die Sanierung führt er unter freiem Himmel auf dem Betzschen Firmengelände aus, zwischen Kies- und Steinhaufen, Granitplatten und Basaltstelen. Nicht drinnen in der Werkstatt oder vor Wind und Regen geschützt durch ein Dach. „Ich brauche natürliches Licht für meine Arbeit“, erklärt Leo Howanietz: „Nur so sind die Konturen und Linien, die beschädigten Stellen im Detail zu erkennen.“ Unzählige dieser Stellen hat er an der Kreuzanlage bereits anmodelliert. An diesem Tag wird der Bildhauer mit der Feinarbeit beginnen – mit Schleifmaschinen und Handschleifer. Anschließend wird Leo Howanietz für die derzeit handlose Jesusfigur neue Hände gestalten. Die entsprechenden Sandsteine für dieser Arbeit hat er schon und hält sie zur Anschauung an die Arme der Figur. Kaum vorstellbar, dass aus den rechteckigen Sandsteinklötzen filigrane Hände werden und die alten ersetzen, die aussahen wie Fäustlinge.

Bald wieder voll schön: die Figuren der Kreuzanlage

Es gibt noch sehr viel zu tun, bis die Kreuzanlage saniert und transportbereit zur Rückkehr nach Kloppenheim auf dem Betzschen Hof steht. Jörg Betz zieht schon jetzt ein positives Fazit: „Die Sanierung der Kreuzigungsgruppe war anspruchsvoll, hat unsere Arbeit bereichert, uns Neues gelehrt und ein wenig demütig werden lassen, ob der außerordentlichen Leistung des Steinmetz, der die Kreuzanlage geschaffen hat.“